Gastbeitrag von Anke Maria Hofer

Ich hatte mich früher immer gewundert, warum Millan gerade unter Tierschützern so beliebt ist, wo seine Trainingsmethoden doch eindeutig gegen unser Tierschutzgesetz verstoßen. Für mich passt das nicht zusammen, Tiere zu schützen und trotzdem gegen sie Gewalt, egal ob psychisch oder physisch, auszuüben. In vielen Diskussionen führen seine Anhänger gerne den Tierschutzaspekt an, oft verurteilen sie prinzipiell Gewalt gegen Hunde, dulden diese aber, wenn es um Leben oder Tod des Vierbeiners geht. Dabei wird entschuldigend angeführt, dass man seine Methoden auch nicht gut findet, Millan aber vielen Hunden durch seine Resozialisierung die Euthanasie erspart. Heiligt der Zweck tatsächlich seine Mittel? Oder würden andere, gewaltfreie Methoden eventuell sogar zu einem besseren, vor allem langfristigen Ziel führen, das nicht mit dem Abspann der TV-Show endet?

Spannend finde ich an solchen Diskussionen immer, dass die verteidigenden Fans tatsächlich glauben, dass der TV-Darsteller Millan wirklich „aggressive“ Hunde therapiert. Das finde ich in Anbetracht der Tatsache, dass kein Zuschauer nach Ende der TV-Sendung erfährt, wie es dem therapierten und vor dem Tod geretteten Hund nach Beendigung der Dreharbeiten ergangen ist, schon verwunderlich. Ich habe einmal in einem Bericht gelesen, dass die Teilnehmer der TV-Shows vertraglich zu Stillschweigen verpflichtet werden. Wenn es aber doch durch Millans Trainingsmethoden nur glückliche, vor dem Tod gerettete und wunderbar sozialisierte Hunde gibt erstaunt mich diese Schweigepflicht. Wären doch veröffentlichte Dankesschreiben der betroffenen Hundebesitzer eine wunderbare Werbung für den Hundeflüsterer und eine Klatsche für seine Gegner!

Oder kann es sein, dass der selbsternannte Hundetrainer in Wirklichkeit gar keine Hunde rehabilitiert, geschweige denn Hunde vor der Euthanasie rettet, sondern vielmehr gemäß Drehbuch seine Rolle als Hundeflüsterer und Dompteur spielt und deshalb keine belegbaren Erfolge seiner Kunst zu finden sind? Ich weiß nicht mehr wie oft ich Fans, die ihn bis auf´s Blut verteidigen, gebeten habe, mir nur ein oder zwei Beispiele seiner Rettung zu belegen. Ein Fall würde mir mittlerweile völlig reichen, der durch Tatsachenberichte der Besitzer glaubwürdig belegt werden könnte, dass deren Hund nachweislich infolge Millans Training vor der Euthanasie gerettet wurde.

So bleibt mein Zweifel, ob manche Tierschützer nicht einfach nur mutmaßen, dass Millan ein wahrhaftiger Hunderetter ist, weil sie eine Rechtfertigung für seine tierschutzrelevanten Methoden brauchen, um sich selbst reinzuwaschen, wenn sie mal wieder am Halsband rucken oder den Hund mit einem Kick in die Rippen zur Raison zu bringen versuchen. Oder zählt nur die „Rettung“ eines Hundes, was danach mit ihm passiert, ob er ein Leben in Glück und Spaß oder eins in Angst und Unsicherheit führt, ist egal?

Ich bezweifle, dass Millan Hundeleben rettet. Es gibt für mich nicht einen einzigen Grund, das zu glauben. Aber ich weiß auch, dass der „Dr. House“-Darsteller Hugh Laurie im echten Leben kein Arzt ist, Pamela Anderson nie als Lebensretterin bei BayWatch Ertrinkende aus dem Wasser gezogen hat und „Obelix“-Darsteller Gérard Depardieu keine echten Zauberkräfte hat.